In achtercast Folge 38 geht es um die Freizeitparkkette Six Flags. Interessanterweise ist der Begriff “Six Flags” – zumindest unserer Beobachtung nach – auch unter “normalen” Parkgästen bekannt. Meist meinen sie damit “den Achterbahnpark in den USA”. Das es sich hier aber um eine große Kette von Freizeitparks handelt, wissen viele nicht – vom mehrjährigen Gastspiel in Europa ganz zu schweigen.
HIER ACHTERCAST FOLGE 38 HÖREN.
achtercast Folge 38: Was steckt hinter Six Flags?
Das Unternehmen wurde am 5. August 1961 im Bundesstaat Texas gegründet. Im gleichen Jahr öffnet mit “Six Flags Over Texas” der erste Park. Der Name “Six Flags” bezieht sich auf die Flaggen der sechs Nationen (Spanien, Frankreich, Mexiko, Republik Texas, die Vereinigten Staaten und die Konföderierte Staaten von Amerika), denen Texas im Laufe der Geschichte gehörte und die über dem Staat “wehten”. Aus dem vorderen Teil des Park-Namens wurde dann der Name des Unternehmens.
1967 öffnete mit “Six Flags Over Georgia” der zweite Park. 1971 wurde mit “Six Flags Over Mid-America”, heute “Six Flags St. Louis”, der dritte und erstmal letzte selbstgebaute Park eröffnet. In den folgenden Jahren kauft sich das Unternehmen wild durchs Land und übernimmt viele eigenständige Parks.
In den 80er Jahren wagt man einen Ausflug ins Filmgeschäft. Das Projekt scheitert und wird 1989 wieder begraben. 1998 übernahm Premier Parks die Six Flags Corporation und ließ die eigenen Parks unter dem Namen “Six Flags” laufen.
achtercast Folge 38: Sechs Flaggen über Europa.
2000 ging es in Europa los: Kleine Parks wurden auf den Schlag auf die Landkarte Katapultiert:
- Walibi Flevo wurde zu Six Flags Holland (Niederlande)
- Walibi Wavre zu Six Flags Belgium (Belgien)
- Bellewaerde Park (Belgien)
- Walibi Rhône-Alpes, Lorraine und Aquitaine (Frankreich)
- Warner Bros. Movie World (Deutschland)
- Parque Warner (Spanien), der damals im Bau war (Anteil fünft Prozent)
Beispiel Walibi Flevo: Der Park bekam bei seiner Umstrukturierung zu Six Flags Holland 25 neue Attraktionen, darunter vier Achterbahnen: Superman the Ride, Robin Hood, La via Volta, Flying Dutchman Gold Mine und dann 2002 Goliath. Bei den anderen Parks wurde ebenfalls mal mehr mal weniger viel investiert. Six Flags Holland sollte aber der Hauptpark sein. Daher auch der Titel “RollerCoaster Capital of Europe“.
Die Investition in die Movie World war etwas verwunderlich, weil ein Themenpark nicht zum Six Flags Portfolio passt. Das zeigte sich auch in den von Six Flags gebauten Attraktionen (u. a. Eraser, The Wild Bunch, Wild Maus, Merienhof Karussell) und der mangelnden Pflege des Parks / der Attraktionen in den Jahren. Allerdings war Six Flags im Besitz der Warner- und DC-Lizenzen, daher musste sich im Park nichts ändern.
Das neue Konzept der Parks zielte auf Teenager und junge Erwachsene ab, Familien mit Kindern wurden nur noch am Rand angesprochen. Der Euro Season Pass ermöglichte Zugang zu allen Parks für einen Spottpreis von 50 Euro.
Kritik von Manuel Prossotowicz, Director Marketing & Sales Movie Park, zum Euro Season Pass. Vandalismus durch die Zielgruppe war ein Problem und es gab große finanzielle Probleme, weil das Six Flags Konzept nicht richtig funktioniert hat.
„Wir waren damals die billigste Kita in Bottrop.“
Kritik von Manuel Prossotowicz, Director Marketing & Sales Movie Park, zum Euro Season Pass (Podcoaster Folge 42)
2004 war es dann schon wieder vorbei mit Six Flags in Europa. Nur der Anteil am Parque Warner wurde zunächst gehalten.
Der europäische Traum zerplatzt.
Bereits seit 1998 wurden größere Schulden angesammelt, die den Konzern in Geldnot brachten. Der europäische Teil wurde daher schon 2004 wieder abgestoßen. Im Juni 2009 musste Six Flags dann Insolvenz anmelden. Diese verlief aber ohne Entlassungen und Schließungen. Nach einer Restrukturierung konnte Six Flags das Insolvenzverfahren im Jahr 2010 verlassen.
Heute betreibt die “Six Flags Entertainment Corporation” 27 Parks (Themenparks, Vergnügungsparks, Wasserparks und ein Family Entertainment Center) in den USA, Kanada und Mexiko. 2019 besuchten etwa 32,8 Millionen Gäste die Parks, was Six Flags nach Besucherzahlen zur siebtgrößten Freizeitparkkette der Welt macht. (Platz 1: Walt Disney Attractions, Platz 2: Merlin Entertainment Group, Platz 4: Universal Parks and Resorts, Platz 8: Cedar Fair Entertainment Company, Platz 10: Parques Reunidos)
Warum hat es in Europa nicht geklappt? Das meinen wir.
- Thematisierung und Parkpflege sind nicht die Stärken von Six Flags. Nach dem anfänglichen Wow-Effekt, zeigten sich also schnell Risse.
- Six Flags steht für “Cheap Thrills”, was in westeuropäischen Ländern nicht so gut ankommt. Der Europäer kennt Disneyland Paris, Europa Park und Efteling. Triste Fahrgeschäfte aus Wiesen sind da schon eine andere Welt.
- Nicht genug kulturelle Forschung betrieben. Das US-Konzept wurde über die Parks gestülpt (Season Pass, “krasse” Bahnen, die jedoch schnell an Reiz verlieren, keine Traumwelten).
- Zielgruppe Teenager / junge Erwachsene sind nicht die zahlungskräftigste oder treueste Gruppe.
Meint ihr, dass Six Flags heute vielleicht mehr Chancen auf dem europäischen Markt hätte? Immerhin gibt es mit dem Energylandia in Polen einen Park, der nach dem gleichen Rezept gebraut ist. Und bisher hält er sich. Wir sind auf eure Meinung gespannt.